Angst und Depression als körperliche Empfindungen
Angst und Depression werden gewöhnlich als rein psychische Vorgänge gesehen. Hier wird jedoch die Meinung vertreten, dass Angst und Bedrückung dem Schmerz und anderen unangenehmen Empfindungen wie Schwindel oder Übelkeit sehr verwandt sind. Wie diese gehören sie zur Somatosensorik, zu unserem Spürsinn, d.h. sie beruhen auf Sinnesempfindungen, die durch winzige Rezeptoren in Muskeln, Faszien Sehnen, Gelenken und vor allem in der Haut und Unterhaut vermittelt werden. In der Somatosensorik lassen sich körperliche und seelische Empfindungen nicht trennen. Angst ist so körperlich wie Schmerz. Schmerz ist so seelisch wie Angst. Beides sind psychophysische Empfindungen, die ab einer gewissen Intensität und Dauer den ganzen Menschen ergreifen.
Der Spürsinn ist bis heute ein sehr vernachlässigtes Gebiet der Medizin und Psychologie. Andere Sinnesempfindungen wie Sehen, Hören, ja selbst Riechen und Schmecken sind bisher bedeutend besser erforscht als die vielfältigen Empfindungen der Somatosensorik.
Zu den Empfindungen der Somatosensorik gehören:
- die Propriozeption (Eigenwahrnehmung: "das bin ich, das gehört zu mir")
- Wärme, Kälte
- Druck, Zug
- Vibration
- Gewicht
- taktile Wahrnehmungen wie weich, nass, rauh etc.
- Jucken, Kribbeln
- und Schmerz
Die Somatosensorik ist die früheste und grundlegendste Sinnesempfindung des Menschen und umfasst sowohl Wahrnehmungen aus der Außenwelt ("Puh, ist das heiß hier!") wie innerorganismische Empfindungen ( "Mein Magen schmerzt", "Ich spüre mein Herz klopfen"), die uns zum Teil bewusst, zum anderen Teil unbewusst sind. Sie dienen nicht nur der neutralen Information ("wiegt ungefähr ein Kilo", sondern vermitteln auch Wohlgefühl ("angenehm", "gut für mich") und Warnungen ("unangenehm", "könnte schädlich für mich sein"). Das ist der (seelische) Gefühlston der (körperlichen) Wahrnehmung.
Bei Angst und Depression handelt es sich also um Empfindungen des Organismus, bei denen man Körper und Seele nicht trennen kann.
Wie alle anderen chronischen Missempfindungen sind Angst und Depressionen mit Dauerkontraktionen in Muskulatur und Bindegewebe der Haut und Unterhaut verbunden, ohne die sie nicht wären. Diese Kontraktionen verstärken sich unter physischen Einwirkungen aber auch in belastenden Lebenssituationen. Ja sogar bereits bei Vorstellungen solcher Situationen zieht man sich körperlich mehr zusammen. Es kommt zu negativen Kreisläufen. Je mehr man sich zusammen zieht, desto negativer erlebt man die Welt und erwartet für die Zukunft nur Negatives. Je mehr man nur Negatives denkt und erwartet, desto mehr zieht man sich zusammen und wird dadurch überempfindlich auf die geringsten Reize.
Daher lassen sich Angst und Depression nicht nur über den Geist, über Gespräche und Vorstellungen, sondern auch über den Körper behandeln. Sind die Dauerkontraktionen sehr verfestigt und chronifiziert, reichen mentale Methoden unserer Meinung nach nicht aus. Die (zumindest ergänzende) körpertherapeutische Auflösung ist hier das Mittel der Wahl.
Diese Sichtweise ist ungewöhnlich und erfordert ein gewisses Umdenken. So sind wir zum Beispiel zu fragen gewohnt: Wo tut´s denn weh? Und: wovor hast Du Angst? Aber nicht
„wo spürst Du denn Deine Angst?“.
Genau das aber tun wir in der Sensomotorischen Körpertherapie nach Dr. Pohl (Pohltherapie). Dabei stellte sich heraus, dass Menschen sehr gut angeben können, wo sie die Angst spüren und dass die Antworten auf diese Frage alle relativ gleich ausfallen:
Angst spüren eigentlich alle Menschen auf der Vorderseite des Körpers, die einen eher am Brustkorb, die andern eher am Oberbauch (in der "Magengegend"), manche auch am Hals vorn.
Von außen kann man mit tastenden Fingern genau an den Stellen, wo das Angst- und/oder Bedrückungsgefühl gezeigt wird, Verspannungen in Muskulatur und/ oder Bindegewebe / Faszien spüren. Gleichzeitig kann man sehen, dass an den verspannten Stellen auch die Atembewegung eingeschränkt ist, d.h. dass sich die Atemmuskulatur durch die Verspannung nicht ausreichend bewegen kann. Angst und Bedrückungsgefühle sind also offensichtlich mit Verspannungen in Muskulatur und/oder Bindegewebe / Faszien in eben diesen Regionen und sie sind mit Atemeinschränkungen verbunden. In der körpertherapeutischen Sichtweise geht man davon aus, dass sich Angst und Depression daher auch durch Lockern und wieder in Bewegung bringen von Muskulatur und Bindegewebe / Faszien behandeln lassen.
Die unangenehmen Empfindungen/Gefühle kommen also von außen am Körper (aus Muskeln, Sehnen, Faszien, und vor allem aus dem Bindegewebe der Haut und Unterhaut), obwohl sie innen gespürt werden (im Magen, in der Brust, in der Seele).
Und genau dort, wo sie innerlich gespürt werden, lassen sie sich auch äußerlich behandeln!
Siehe Artikel
Sensomotorische Körpertherapie bei Angst und Depression
Psychosomatik – eine neue Sichtweise
Achtung: Relativ häufig kommt es vor, dass Menschen zwar von ihrer Depression reden, es sich dabei aber nur um eine ärztliche Diagnose handelt, und die Patient*innen in Wirklichkeit unter Angstzuständen leiden. Manche Patient+innen halten auch „Depression“ für sozial akzeptabler als „Angst“. Daher ist es in der Pohltherapie® hier ganz besonders wichtig, die Patient*innen genau danach zu fragen, was sie wie spüren.
Siehe weiter unter:
- Angst
– Phobien
– Panikattacken
– Diffuse Ängste
– Generalisierte Angststörung
– Zwangsgedanken und -handlungen - Depression
- Innere Unruhe
Angst und Aufgeregtheit kommen natürlich oft zusammen oder abwechselnd beim selben Patienten/ bei derselben Patientin vor. Ebenso gibt es die Kombination Depression und innere Unruhe, wie auch Depression alternierend mit Angst.
In der Praxis der Behandlung von Angst und Depression kann man je nach Vorbildung die körpertherapeutische Behandlung mit der Pohltherapie mit verhaltenstherapeutischen oder psychoanalytisch orientierten Gesprächen verbinden, aber auch eine rein körpertherapeutische Behandlung ist möglich.
Auf der Therapeutenliste finden Sie Therapeuten mit dieser neuen Sichtweise von Angst und Depression.