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Der Blog der Pohltherapie®

Herkunft und Behandlung von Schmerzen im Beckenbereich

Renate Bruckmann über Probleme im Becken - Pohltherapie-Interview

Neben eher „öffentlichen“ Beschwerden wie zum Beispiel am Bewegungsapparat, behandeln Pohltherapeuten sehr häufig auch intime Beschwerden, über die Menschen nicht gerne sprechen. Dazu zählen insbesondere Schmerzen und Probleme im Beckenbereich.

Renate Bruckmann, Pohltherapeutin aus dem Saarland, hat sich auf diesen Bereich spezialisiert und einen Ratgeber für Betroffene geschrieben. Wir sprechen mit ihr über die Hintergründe:

Frau Bruckmann, welche Beschwerden fallen mit dem Beckenbereich zusammen?

Das kann sehr unterschiedlich sein. Probleme beim Wasserlassen zum Beispiel, Schmerzen im Bereich Unterbauch, Rektum, Blase und Prostata, um nur einige zu nennen.

Wie können Sie den typischen Patienten beschreiben?

Verantwortungsvoll, leistungsorientiert und freundlich mit der Neigung, es beim Sport zu übertreiben oder gar keinen Sport zu machen. Außerdem gerne die Beine übereinanderzuschlagen oder mit eingezogenem Unterbauch zu sitzen. Das war jetzt etwas vereinfacht, passt aber oft.

Gibt es genauso viele Männer mit Beschwerden im urogenitalen Bereich wie Frauen?

Ich würde sagen halbe-halbe.

Welche Unterschiede können Sie bei den Geschlechtern erkennen?

Gar nicht so viele Unterschiede. Die Not ist bei beiden oft groß. Wenn der Beckenboden verspannt ist, haben Männer oft Probleme mit der Erektion und Frauen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Das ist ein Unterschied in der Symptomatik bei gleicher Ursache, dem verspannten Beckenboden. Und beide können dann Schmerzen im Bereich des Damms haben, nur dass der männliche Patient sagt, die Prostata tut weh.

Woher rühren die Beschwerden?

Gewohnheiten wie falsches Sitzen, ständiges unbewusstes Anspannen von Unterbauch oder Po-Muskeln. Vor allem spielt der Stress eine Rolle. Manchmal kann auch eine Narbe oder eine alte Blasenentzündung die Ursache sein. Es gibt viele Möglichkeiten.

Welche Auswirkungen haben diese Beschwerden auf die Lebensführung?

Das hängt sehr von der Intensität der Beschwerden ab. Das geht von einer persönlichen „Genervtheit“, die man versucht, für sich zu behalten und das Leben ganz normal weiterzuführen bis zur Arbeitsunfähigkeit und im Extremfall Depressionen. Vor allem, wenn es schon lange dauert, und zwar vieles versucht wurde, aber nichts geholfen hat.

Inwieweit „schämen“ sich Menschen für derartige Beschwerden?

Inkontinenz ist sehr schambehaftet. Vor allem jüngere Menschen sind entsetzt, wenn sie derartige Beschwerden bekommen. Missempfindungen, die Laien bizarr vorkommen, beschämen die Patienten oft, weil sie sich fragen, ob das denn wirklich wahr sein kann.

Können Sie ein Beispiel dafür geben?

Gestern war zum Beispiel eine junge Frau bei mir, die über Übelkeit und Brechreiz in Rückenlage klagte, die vom Genital ausging. Oder ein Mann, der sagt, er habe ein „eiskaltes Brennen in der Peniswurzel“. Diese Menschen sind oft sehr erleichtert, wenn sie sagen können, was sie spüren und wir als Pohltherapeuten es ernst nehmen.

Was machen Sie ein so einem Fall?

Den Patienten untersuchen, schauen wie er atmet, ob er sein Becken bewegen kann, welchen Tonus der Beckenboden hat. Wie locker seine Beine sind und die Hüftmuskeln sind. Bobachten, wie er sitzt und steht und geht. Daraus bilde ich eine Arbeitshypothese, also einen Plan, wie ich vorgehen möchte. Dann fangen wir an, bewegen, pandikulieren, suchen nach Schmerzpunkten, behandeln Bindegewebe. Die Patienten machen mit, sie bewegen, spüren, leiten mich, es ist eine gemeinsame Arbeit. Und während wir dabei reden, erfahre ich manchmal noch wichtige Dinge, die in der Anamnese noch gar nicht ausgesprochen wurden.

Wie geht es dann weiter mit der Therapie?

Es ist wichtig, immer wieder zu überprüfen, ob sich durch die Behandlung etwas ändert: In der Wahrnehmung, wie dieses Bein sich jetzt anfühlt, nachdem wir es pandikuliert haben? Geht die Atmung leichter nach der Bauchbehandlung? Diese Änderungen führen schlussendlich auch zu einer Veränderung der Beschwerden. Manchmal geht das schnell und manchmal dauert es lange.

Was können Patientinnen und Patienten in ihrem Alltag tun?

Die Übungen machen, die man ihnen aufgibt. Sie sichern das in der Behandlung erreichte und vertiefen es. Sie erzeugen eine bessere Körperwahrnehmung, so dass die Patienten lernen, ihre Spannungen zu fühlen, bevor sie davon Beschwerden bekommen. Die Hinweise zu Körperhaltungen ernst nehmen und überprüfen, was man im Alltag ändern kann. Das ist für die Patienten oft eine große Herausforderung, vor allem wenn sie sehr leiden. sich auf diese langsamen Übungen zu konzentrieren, wieder zu lernen sich zu entspannen und die Katastrophengedanken beiseite zu schieben.

Unser Ziel ist, dass die Patienten unabhängig von uns werden, weil ihre Beschwerden sich so stark bessern, dass sie uns nicht mehr brauchen und dass sie wissen, was sie selbst tun können, um mit den Resten allein fertig zu werden, wenn man so will.

Sie haben Ihre Erfahrungen in einem Ratgeber zusammengefasst. Was war Ihre Motivation für dieses Buch?

Ich wollte, dass Patienten erfahren, dass sie mit ihren Beschwerden im Becken nicht allein sind. Deshalb habe ich schon vor etlichen Jahren begonnen, Fallgeschichten aufzuschreiben, damit ich sie nicht vergesse und anderen Betroffenen zur Verfügung stellen. Dass daraus mal ein Buch wird, habe ich da noch nicht gewusst.

Haben Sie jetzt noch mehr Beckenboden-Patienten und Patientinnen? Und fehlt Ihnen da nicht die Abwechslung?

Natürlich kommen jetzt noch mehr Betroffene in die Praxis. Das stimmt schon, aber langweilig wird es überhaupt nicht, im Gegenteil. Mehr Erfahrung heißt, mehr verstehen, mehr Erkenntnis und die Behandlung ständig zu verbessern. Das ist eine großartige Sache für mich und nutzt auch den Patientinnen und Patienten.

Werden Sie ein weiteres Buch schreiben?

Ja, ich bin in der Tat gerade dabei, mit meinem Mann zusammen ein Rückenbuch zu schreiben. Es wird im Herbst 2021 erscheinen, die Zeit eilt also. Rückenschmerzen sind so stark verbreitet, dabei lässt sich normalerweise ziemlich einfach etwas dagegen tun. Das wollen wir unter die Leute bringen, damit sie sich selbst helfen können. Denn darum geht es in dem Buch: Übungen und Selbstbehandlungen nach dem Konzept der Pohltherapie als Hilfe zur Selbsthilfe.

Frau Bruckmann, vielen Dank für das Gespräch.


Über Renate Bruckmann:

Renate Bruckmann ist langjährige Pohltherapeutin und Vorstand im Verband für Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl e.V. Ihr Ratgeber „Unter der Gürtellinie“ ist zuletzt beim Verlag Knaur erschienen, umfasst 320 Seiten und 114 Abbildungen. Das Buch kostet 24,00 Euro in der Printversion und 19,99 Euro als E-Book. Informationen zu ihrer Praxis befinden sich unter www.alternative-schmerzbehandlung.de.


Sollten Sie Probleme im Beckenbereich haben, stehen Ihnen unsere Pohltherapeutinnen und -Therapeuten zur Seite. Diese finden Sie in unserem Therapeutenverzeichnis.


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